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30.11.2007 Aus dem Buch von Don Demidoff "Der Dornenpriester"


ISBN 973-0-33816-3 Denn wir können die Kinder nach unserem Sinne nicht formen. So wie Gott sie uns gab, so muss man sie haben und lieben. Johann Wolfgang von Goethe Werdet wie die Kinder Die Kinder haben eine große Sorge, nämlich dass mir etwas zustößt. Auch merken sie meinen Verfall von Jahr zu Jahr. Das erste, worum sie in ihren Gebeten bitten, ist Gesundheit für mich. »Gib ihm Arbeitskraft«, sagen sie dann. Das ist mir oft peinlich und ich denke, ich müsste es eigentlich bremsen. Sie sollten vielleicht mehr für andere beten. Nachher denkt man noch, die Gebete für mich seien bestellt. Aber diese Gebete kommen ganz allein von den Kindern. Und natürlich kann ich sie gut gebrauchen, denn meine Arbeit, mein Dornenweg, kostet mich so viel Kraft. Und meine eigenen Gebete ersticken doch oft in einer umbarmherzigen Müdigkeit. Wenn ich mit dem Auto ankomme, lautet die erste Frage der Kinder immer: »Pater, wie geht es dir?« Wenn es den Himmel nicht gäbe, würden die Kinder ihn mit ihren Gebeten erschaffen. Es ist die große Inbrunst, mit der die Kinder von Cincu beten. Ich sage immer: Wenn es den Himmel, wenn es den lieben Gott nicht gäbe, dann würden diese Kinder mit ihren Gebeten den Himmel erfinden. Auch hierzu gibt es eine Geschichte von Don Bosco. Eines Tages fiel Don Bosco inmitten seiner Straßenjungen um. Er hatte sich eine schwere Lungenentzündung zugezogen. Lungenentzündungen waren damals weitaus schwieriger zu behandeln als heute und endeten oft tödlich. Seine Kinder beteten Tag und Nacht aus voller Überzeugung und mit großer Inbrunst auf dem Innenhof vor Don Boscos Fenster. Nach einigen Tagen öffnete sich die Balkontür und Don Bosco trat heraus, noch schwankend zwar, aber von seiner Krankheit geheilt. »Viva Don Bosco, viva Don Bosco«, schrieen und grölten diese einfachen Kinder, deren Gebete erhört worden waren. Sie hatten ihn zurück ins Leben gebetet. »Ich bin gesund geworden, weil ihr so gebetet habt!«, bedankte sich Don Bosco. »Ich sage euch etwas, meine Jungen: Ihr, die man euch verlassen hat, die man gequält hat, ihr habt einen Vertrag mit dem Himmel. Macht zukünftig Gebrauch davon.« Dies sage ich auch meinen Kindern, denn sie haben mir mehr als einmal geholfen, schwere Situationen zu bestehen. Insbesondere habe ich die Kraft der Gebete ganz stark nach meinem Unfall gespürt und vor der anschließenden Operation, die acht Stunden lang gedauert hat. Ich wusste nicht, ob ich vielleicht ohne mein Bein wieder aufwachen würde. Das hätte ich zwar verkraftet, denn ich habe eine starke Psyche. Aber die Teilnahme, die mich aus allen Richtungen und allen Winkeln Europas erreichte, und immer wieder die Aussage: »Wir beten für dich«, das hat mich sehr getragen. Ich hatte das Gefühl, dass über ganz Europa hinweg eine einzigartige »Gebetskette« entstanden war. Eine unbewusste, nicht organisierte Gebetskette, die mir die Gewissheit gab, dass ich gut aufgehoben war. Mich umfing das Gefühl einer unglaublichen Zuversicht und Sicherheit, das alle Zweifel ausräumte. Ich empfinde geradezu Kraftschübe, wenn meine Kinder für mich beten. Niemand befiehlt ihnen, nachts aufzustehen und in der Kapelle für mich zu bitten. Keiner weist sie an zu einer Gebetswache vor meiner Tür, von der sie sich selbständig jede Stunde ablösen. Das ist passiert, wenn es mir besonders schlecht ging, wie in der Zeit des Komas oder nach dem schrecklichen Autounfall. Das größte Wunder für mich ist es, wenn ich nach mehreren Tagen vom Bett aufstehe, als wäre überhaupt nichts gewesen. Und wenn mich Briefe erreichen, in denen von großer Sorge und großen Problemen berichtet wird, schreibe ich zurück: Machen Sie sich keine Sorgen. Ich sage es meinen Kindern, sie haben einen Vertrag mit dem Himmel. Die Kinder haben einen Vertrag mit dem Himmel. Diese Kinder sind wunderbar. Als ich im Koma lag, haben mich meine Kinder herausgebetet. Denn es war nicht absehbar, dass ich daraus wieder heil herauskommen würde. Sie haben in Iacobeni und in Cincu gewacht. Und Viorel, der sich stets burschikos gibt und immer so tut, als könne nichts Menschliches ihn rühren, zeigt in solchen Momenten Züge, die man an ihm nicht vermutet. Ich war verärgert über ihn, weil er sich nicht bei mir gemeldet hatte, nachdem ich wieder aus dem Koma aufgewacht war. »Er hat ja nicht mal angerufen«, beklagte ich mich über ihn bei Minodora, unserer Chefbuchhalterin. »Pater«, entgegnete sie und ihr Blick strafte mich ab, »Sie tun Viorel jetzt sehr Unrecht. Sie dürfen so etwas nicht über Viorel sagen.« Bevor mir ein Rumäne so eine Antwort gibt, muss schon einiges passieren. »Wie meinst du das, Minodora?«, wollte ich von ihr wissen. »Als Sie so krank waren, hat er hier gesessen und meine Hand gehalten, damit ich nicht selbst losheule, und er hat so geweint.« Nicht wahr, Dornen teilt man auch aus. Wie ich mich immer wieder in den Menschen irre! Ich habe mich herzlich bei Viorel entschuldigt. Ich bin eben auch nur ein Mensch, ein einsamer Mensch inmitten der vielen Kinder, und bewerte manche Ereignisse zu hoch. Oftmals beschämen meine Kinder mich, insbesondere dann, wenn sie von tiefer Religiosität ergriffen sind. Das ist mir besonders deutlich, wenn sie am Altar ihre ganz persönlichen Gebete formulieren. Ich habe sie ihnen nicht beigebracht. Nach dem Angelus ? das ist das Gebet, das wir drei Mal am Tag beten (»Ich bin die Magd des Herrn. Mir geschehe nach Deinem Wort.«) ? haben die Kinder sich angewöhnt, ihr persönliches Gebet in den Himmel zu schicken. Wenn ich höre, was die Kinder dort an eigenen Gedanken formulieren, wie sie auf aktuelle Ereignisse in der Welt reagieren, auch dass sie für mich und meine Gesundheit beten, dann bin ich sehr glücklich darüber. Und sie beschämen mich, weil ich oft nicht in der Lage oder zu müde bin, zu beten. Es kommt vor, dass ich die Sonntagsmesse nicht zelebrieren kann. Dann setze ich mich hinten auf den letzten Stuhl. Die Kinder machen dann ihren Gottesdienst, ganz so, als ob ich doch am Altar stünde. Wie soll ich diese Momente der Glückseligkeit beschreiben. »Ihr sollt werden wie die Kinder«, hat Jesus gesagt. Kinder sehen viel früher und deutlicher als viele Erwachsene, wenn es mir nicht gut geht. Werdet wieder wie die Kinder, offen, bescheiden, natürlich und zugänglich. Meine Kinder sehen, wenn ich leide, wenn die Dornenkrone, die mir bei der Profess aufgesetzt wurde, mal wieder zur sehr ins Fleisch drückt. Es ist ja noch gar nicht so lange her. Nach dem Unfall beziehungsweise dem Anschlag auf mein Leben 1995 habe ich mich wieder berappelt. Bereits kurze Zeit nach meinem Unfall, als ich zur Nachuntersuchung ins Krankenhaus musste, waren die Knochen so schnell wieder zusammengewachsen, dass der Arzt von einem Wunder sprach. Ich bin sicher, dass das die Gebete meiner Kinder bewirkt haben. Natürlich habe ich auch etwas dafür getan. Ich habe gegen meine Bewegungsunfähigkeit gekämpft, bis ich wieder laufen konnte. Erst habe ich den Rollstuhl die Treppe hinab gestoßen, dann habe ich meine Krücken weggeworfen, zum Schluss habe ich meinen Stock fortgeschmissen. Damals habe ich gekämpft. Aber die Diabetes, an der ich heute leide, lässt mich langsam und stetig verfallen. Jede kleine Krankheit, die ich früher einfach weggesteckt habe, schwächt mich mehr und mehr. Was mir in Amsterdam noch nicht ganz klar geworden war, in Rumänien ging es mir auf: Ich begreife diese Kinder. Jetzt begreife ich sie. Nun weiß ich, was als Kind in mir selber vorgegangen ist, weil man meine Talente nicht erkannt hat, meine Fantasien unterdrückte, weil man mich in ein Schema gepresst hat, in das ich nicht gehörte. Wenn nicht Priester, so wollte ich doch so gerne Schauspieler werden. Wo ich doch eine russische Seele hatte und nun im deutschen Spießbürgertum groß wurde, wo man vom Vater eine ins Gesicht bekam, wenn man die Autotür zu heftig zuschlug ? der kostbare Wagen hätte ja zerspringen können. Ja, ich begreife diese Kinder. Es ist doch mein eigenes Stigma. Das heißt nicht, dass ich weich mit ihnen wäre. Aber ich weiß, welche Tricks und welche erzieherischen Hilfsmittel ich anwenden muss, um in ihre Herzen zu gelangen. Kinder haben das Recht, Grenzen zu überschreiten, die Pflicht des Erziehers ist es, die Grenzen zu ziehen und deutlich zu machen. Es ist doch kein Zufall, dass die wachsende kriminelle Energie von Kindern durch eine religionslose Erziehung verursacht wird. Manchmal gehört auch Härte dazu, um ihnen zu helfen, denn sonst geht es bei manchen Kindern nicht weiter und ich verliere sie wieder an die Straße. Meistens aber erreiche ich mit einer Grimasse, einem Spiel, einer albernen Verkleidung mehr als durch tausend Predigten oder noch so intelligenten Strafen. Wenn du Kinder zum Lachen bringst, hast du ihre Herzen gewonnen. Doch können wir mit unseren menschlichen Begrenzungen nicht alles regeln. Das ist nicht möglich. Was ich machen konnte, habe ich gemacht. Alles andere lasse ich in Gottes Hand. Wenn Gott der Gott ist, an den wir glauben, wenn er der gütige, barmherzige, liebende Gott ist, der Gott, der ganz besonders der Gott der Kinder ist, dann wird er diese Kinder nicht mehr allein lassen. Ihr Pater Don Demidoff ICCC